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"Lebensrealitäten verändern sich und Gaming wird ein Teil unseres Lebens sein"

Der FC St. Pauli und MTW (Mortal Teamwork) sind ein Team. Wir sprachen mit Martin Drust (Geschäftsleiter Marketing) über das Engagement des FCSP im Esport und über das Spiel an sich.  

 

Hallo Martin, wir haben heute bekanntgegeben, dass wir ab sofort mit MTW als Partner ein Team im Online Multiplayer League of Legends stellen. Nach dem Engagement im eFootball ist League of Legends nun die nächste Community, in die der FCSP eintritt. Wie kam es dazu?

Wir haben uns schon sehr lange mit MTW beschäftigt. Dazu muss man wissen, dass MTW als einer der ersten deutschen eSport-Clans aufgetreten ist. Das war Ende er 90er Jahre. Gegründet wurde MTW durch Rene Korte, der auch langjähriger Fan des FCSP ist. Er hat uns bei dem Thema beraten und auf viele Dinge aufmerksam gemacht. Dadurch hat sich mit der Zeit eine Konstellation ergeben, dass es einfach sein sollte, dass wir zusammenarbeiten. In den Gesprächen sind wir auf League of Legends gekommen, was für uns als Verein auch sehr naheliegend ist. Es ist ein Strategiespiel und wird weltweit am häufigsten gespielt.

Warum bewegen wir uns mit League of Legends weg vom fußballbezogenen Gaming. Passt das zum FC St. Pauli?

Natürlich steht bei uns Fußball Club im Namen, aber wir sind ja auch ein Breitensportverein mit diversen Abteilungen wie beispielweise Pipes and Drums. Wir fahren mit League of Legens den gleichen Ansatz, wie bei FIFA. Es geht nicht um Profis. Wir treten in der Division 2 an und im Kern geht es darum, Talente aus Hamburg zu finden. In Verbindung mit der Tatsache, dass wir ein Breitensportverein sind, sehen wir das nicht als Widerspruch.

Wie kann das Spiel bei uns in den Verein eingebunden werden?

Ich bin immer wieder im Austausch mit meinem Kollegen Thomas Michael zu diesem Thema. (Geschäftsleiter Amateursport, Anm. d. Redaktion). Es gibt die Idee, eine Freizeitsportabteilung zu gründen. Da würde das natürlich auch seinen Platz haben.

Wie möchte der FC St. Pauli seine Werte in das Spiel und die Community transportieren?

Der FC St. Pauli ist ein wertebasierter und politischer Verein und auch dafür bekannt. Wenn wir uns in eine für uns neue Community begeben, transportieren wir unsere Themen und Ansichten automatisch mit.  Wie wir das im Profi-Fußball machen, so werden auch im Esport unsere Spieler*innen Klamotten mit Message und Haltung tragen. Auf solchen Wegen wollen wir unseren Wertekosmos transportieren. Dazu habe ich eine schöne Geschichte. Als unser Partner MTW für unser Team Spieler*innen gesucht hat, kam ein Spieler, der nicht wusste, dass es um den FC St. Pauli geht, mit einem FCSP-gegen-Rechts-Shirt vorbei. Aufgrund seines guten Rankings hätte er eigentlich woanders für Geld spielen können, hat aber sofort bei uns unterschrieben, als er hörte, dass es um Plätze in unserem Team ging. Daran sieht man, dass wir schon heute in diese Community wirken.

Lass uns über den Sinn des Spiels sprechen. Worum geht es?

League of Legends ist ein Echtzeit-Strategiespiel. Bis zu fünf Spieler*innen spielen gleichzeitig in zwei Teams gegeneinander. Für alle, die das nicht kennen, sieht das sehr verwirrend aus. Kleine Anekdote: Ich war vor drei Jahren bei einem Event in der Barclaycard-Arena. Alle schauten auf einen großen Bildschirm und sind ab und zu ausgeflippt und ich habe das überhaupt nicht verstanden. Das war schon komisch. Es gehört aber zu den beliebtesten Spielen weltweit. Im Spiel selbst geht es darum, taktisch zu agieren und durch Team-Arbeit den Gegner zu besiegen. Ziel ist es, die Basis des Gegners zu zerstören oder ihn zur Aufgabe zu zwingen.

Entspricht die Art und Weise, wie das Spiel gewonnen werden kann, den Werten und Überzeugungen des FC St. Pauli?

Das Spiel ist von der Hamburger Sportjugend, die sich sehr intensiv mit den Thema Gaming beschäftigt, als ein Sportspiel eingestuft und anerkannt worden. Man kann natürlich darüber sprechen, ob eine Fantasy-Welt zu unserem Werte-Kosmos passt. Wir haben kein Problem darin gesehen, weil es ein Strategiespiel ist und in allen Strategiespielen geht es darum, den Gegner zu besiegen. Es wird keine Gewalt offensiv dargestellt, Menschen oder Avatare werden nicht erschossen, es spritzt kein Blut, sondern es geht um die Strategie.  

Im Spiel selbst gibt es Charaktere, die nach klassischen Rollenbildern ge- und überzeichnet werden. Wie steht das im Einklang mit unseren Werten und Normen?

Wir haben uns damit natürlich beschäftigt, weil wir das auch so gesehen haben. Man muss da ehrlich sein. Die Esport- und Gaming-Szene hat in dieser Thematik Nachholbedarf. Aber auch hier sind ganz klar Entwicklungen zu sehen und diese in einer enormen Geschwindigkeit. Die Welt und der Zeitgeist haben sich geändert und das ist auch in der Gaming-Szene angekommen. Diese klassischen Rollenbilder sind ursprünglich in dem Spiel verankert, aber nach und nach gibt es hier Verbesserungen seitens der Entwickler, die das Spiel diverser machen. Mittlerweile gibt es homosexuelle Charaktere. Insofern ist das für uns der Weg in die richtige Richtung, denn ich glaube, dass gerade Spiele und ihre Entwickler eine wichtige Rolle haben, da sie durch die Spiele enormen Einfluss auf junge Menschen haben.

Wie bei FIFA gibt es auch bei League of Legends immer noch wenig Frauen, die auf professioneller Ebene aktiv sind. Welche Möglichkeiten hat der FCSP, um hier Dinge zu verändern?

Es ist tatsächlich kein einfaches Thema. Nicht umsonst spielen viele Frauen unter männlichem Pseudonym. Wir haben bei FIFA zwei Spielerinnen, die für uns spielen. Eine von beiden leitet unseren ProClub. Gleichzeitig stellen wir unsere Spielerinnen auch in der Kommunikation nach vorne, um eine Sichtbarkeit zu schaffen, weil das in diesem Zusammenhang besonders wichtig ist. Bei League of Legends versuchen wir nun, auch Frauen und Mädchen zu finden, die für uns spielen möchten. Das ist unser Weg.

Abschließende Frage: Was erhoffst Du Dir von dem Engagement?

Grundsätzlich gehen wir bei dem Thema sehr experimentell vor. Als wir das Engagement im Esport gestartet haben, hätten wir nicht geglaubt, dass wir heute schon an diesem Punkt sind. Wir haben eine enorm hohe Nachfrage von Partnern, die sich sonst nicht mehr im Profifußball engagieren würden. Daher ist das Ganze auch wirtschaftlich interessant. Doch geht unser Interesse natürlich über das Wirtschaftliche hinaus. Wir finden es wichtig, in dieser großen und wachsenden Community sichtbar zu sein und Einfluss zu haben. Wir als FC St. Pauli verstehen uns als Wertegemeinschaft und sollten daher auch in diesen Communites stattfinden. Daher müssen wir uns schon sehr sicher sein, wenn wir nicht dabei sein wollen. Was spricht genau dagegen? Lebensrealitäten verändern sich und Gaming wird ein Teil unseres Lebens sein. Da wäre der konstruktive Ansatz zu fragen, was wir daraus machen können. Und es ergeben sich immer wieder schöne Geschichten. Im ProClub-Team von AEK Athen spielt ein großer St. Pauli-Fan. Gleichzeitig ist er in Griechenland ein echter eFootball-Star, der dort für Geld spielt. Doch nun will er für den FC St. Pauli spielen, weil der Verein für ihn das Größte überhaupt ist. Solche Themen wird es immer wieder geben und das ist das Spannende für uns.

 

(lf)

Foto: FCSP & Witters

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