Absolut verdient: Japans Nationalteam gewinnt 18. Blindenfußballmasters
Dienstag, 19. August 2025, 09:00 Uhr
Am letzten Juli-Wochenende hat die Blindenfußballabteilung des FC St. Pauli ihr 18. Masters „keep your mind wide open“ ausgerichtet. Beim top besetzten Turnier wurde allen Zuschauer*innen an zwei Tagen hochklassiger Blindenfußball geboten. Unser Blindenfußballteam hat sein Masters nun noch mal ausführlich Revue passieren lassen.
In diesem Jahr 2025 haben sich die veranstaltenden Blindenfußballerinnen des FC St. Pauli vorgenommen, den Turniernamen „Masters“ wörtlich zu nehmen. Es wurden ausschließlich amtierende Landesmeister-Teams angesprochen, am Blindenfußball Masters Turnier in Hamburg teilzunehmen. Die Freude im Vorfeld stieg durch die Zusagen von UNADEV Bordeaux (französischer Meister), Real Betis Once (Sevilla, spanischer Meister), Roccaraso (italienischer Meister, ehemals AC Crema).
Etwas getrübt wurde die Stimmung durch die Absage des englischen Nationalteams, bedingt durch aktuell zu viele verletzte Spieler. Mit den englischen Blindenfußballern und Blindenfußballerinnen besteht ein seit Jahren gewachsener reger sportlicher Austausch. Unsere Spieler Paul Ruge und „Hippo“ Philipp Versen haben in diesem Jahr vor der deutschen Blindenfußball-Bundesliga-Saison für das englische Team Merseyside in der englischen Liga gespielt. Die Anfrage des englischen Spielers Rainbow Mbuangi für unsere Kiezkicker spielen zu dürfen, wurde im FCSP Team diskutiert und letztlich als sinnvoll und positiv bewertet. Unsere beiden Nationalspieler Rasmus Narjes und Natan Werner sind aktuell durch Verletzungen nicht einsatzfähig, von daher kam die Verstärkung des Teams durch den englischen Nationalspieler Rainbow durchaus gelegen. Der Kader der Kiezkickerinnen ist zwar vergleichsweise groß, das sportliche Niveau des Masters Turniers in diesem Jahr ist mit Champions League Niveau nicht zu hoch betitelt und stellte damit dann doch für einige unsere Spielerinnen eine zu große sportliche Herausforderung dar. Aber auch die Gesundheit unserer Gäste sollte nicht durch die Unerfahrenheit unserer neuen Spieler gefährdet werden.
Nach der Absage des englischen Teams durchforstete unser versierter Organisator und feiner Kommunikator Michael Hain unser Adressbuch und konnte erfolgreich nach Beantwortung vieler Fragen aus Japan die Teilnahme des japanischen Nationalteams bestätigen. Welch eine Ehre, den aktuell dritten der IBSA Nationen Weltrangliste bei uns in Hamburg im Turnier mitspielen zu haben.

Unsere Blindenfußballerinnen konnten in der Vergangenheit schon gegen blinde Fußballer aus Kolumbien und Brasilien spielen. Diese Spiele fanden allesamt in Bučovice (Tschechien) statt, wo unsere Freunde aus Brno das internationale BBFC Blindenfußball Turnier ausgerichtet haben. Leider fand dieses Turnier, auf dem unser Team die allerersten internationalen Kontakte überhaupt knüpfen konnte, zuletzt nicht mehr statt.

Schön, dass die Veranstalterin des BBFC, Jitka Carcouët, gemeinsam mit ihrem Mann, der französischen Blindenfußball Schiedsrichter-Legende Francois Carcouët, sogar die Rolle als Kommentatorin bei einigen Spielen angenommen hat.

Ein aus der Not geborenes Konzept war es, dass auch blinde Fußballer, wie hier Rasmus Narjes die Kommentatorinnen, hier Keiko Ando unterstützt haben. Vielleicht lässt sich daraus für die Zukunft etwas aufbauen.
Einige unserer Frauen konnten bereits international spielen, z.B. gegen Argentinierinnen. Diese Spiele fanden genauso wie die unserer männlichen Nationalspieler im Rahmen von Blindenfußball Weltmeisterschaften statt, bei dem ausschließlich Nationalteams teilnehmen.
Ein Frauen-Turnier beim Blindenfußball Masters wurde in diesem Jahr nicht aufgestellt, da die weiblichen Blindenfußballspielerinnen Svenja Bartels (Tor), Thoya Küster und Jenny Dabelstein (Feldspielerinnen) alle für die „erste (männliche) Mannschaft“ im Masters gebraucht wurden.
Mit der Zusage des Nationalteams Japan, dem dritten der Weltrangliste, wurde klar, dass das sportliche Niveau weit über das hinausgehen würde, was unsere FC St. Pauli Spieler(innen) auf Augenhöhe realistisch würden siegreich gestalten können.
Die Vorfreude auf das Turnier wurde durch die Zusagen der sportlich eher unüberwindbaren Teams aber noch gesteigert.
Das Teilnehmerfeld mit fünf Meister Teams erlaubte als Turnierform einen Liga-Modus in dem jedes Team gegen jedes Team in voller Spielzeit spielen konnte. Quasi eine Mini-Champions-League-Saison an einem Wochenende.
„Ja wo gibt es denn so was?“
Das Turnier musste allerdings ohne Dieter Rittmeyer (Alter Stamm, Initiator des Blindenfußballs im FC St. Pauli) gespielt werden, denn er verstarb vor dem 18. Masters. Seine langjährige Bekannte und Unterstützerin Marlis Haerich betreute wieder wie gewohnt den T-Shirt-Stand. Mit 85 Jahren eine krasse Energie-Leistung.
BZBS-Schulleiter Daniel Böker genoss, genauso wie das zahlreiche Publikum und einige Lehrer-Kolleginnen des BZBS, die internationale Atmosphäre auf dem Sportplatz seiner Schule.

Das Nationalteam Japans startete eine 15-stündige Reise nach Hamburg, um bereits am Freitag, also einen Tag vor dem Startschuss zum Masters, ein Testspiel gegen unsere Blindenfußballerinnen am BZBS zu bestreiten. Trotz verpasstem Anschlussflug in Istanbul, bedingt durch einen Passagier-Notfall, bei dem der japanische Teamarzt Wiederbelebungs-Maßnahmen durchführte, wollten die Japaner nach nur fünf Stunden Schlaf gegen unser Team spielen. Der 7:0-Sieg der durch Reisestrapazen „geschwächten“ Japaner verdeutlichte den Unterschied zwischen Vollprofis (JPN) und leidenschaftlichen Amateuren, die wir sind.

Der Spielplan des 18. Masters bescherte unserem Team am Samstagmorgen das Team von Real Betis Once (Sevilla) als ersten Gegner, im ersten Spiel des Turniers von insgesamt zehn Spielen über volle zweimal 20 Minuten Nettospielzeit. Ein mühsam erkämpftes 1:0 schaffte einen positiven Start in den Wettkampf.

Der 5:1 Erfolg gegen Roccaraso später am selben Tag schuf eine gute Ausgangsposition für unser Team. Herausragend dabei war, dass unser jüngster Spieler, der 13-jährige Mojtaba Safari, sein erstes Pflichtspieltor erzielen konnte. Er merkte erst, als die Zuschauer*innen jubelten und die Schiedsrichter die Durchsage machten, dass sein etwas verunglückter Schuss im Tor gelandet war.

Teamübergreifende Begegnungen und Gespräche sind, neben dem sportlichen Kräftemessen, die besonderen Momente, die ein Turnier wertvoll ausmachen. Paul Iyobo, mittlerweile einer der besten Blindenfußballer weltweit, spielte trotz Knieproblemen für Roccaraso im Sturm und erinnerte sich nach dem Spiel an seine ersten internationalen Begegnungen, die er im Alter von 13 Jahren auf dem Sportplatz des BZBS hatte. Wir haben damals ein IBSA Jugend Camp durchgeführt. Er fühle sich wohl in seiner selbst ernannten Blindenfußball Kinderstube am Borgweg.

Wer die Japaner beobachtete, konnte allein vom Zusehen lernen. Ihr Torjubel-Kult, bei dem der Torschütze einen Samurai Helm-Hut aufgesetzt bekam und alle Teammitglieder den kurzfristigen „Helmträger“ bejubelten, produzierte Freude, auch bei den unterlegenen Gegnern.

Am zweiten Turniertag bekam unser Team dann sehr klar und deutlich die Grenzen aufgezeigt. UNADEV Bordeaux spielte wie entfesselt und hatte mit dem Torschützen zur paralympischen Goldmedaille für Frankreich, Villeroux, den Dreh und Angelpunkt in Ihrem Spiel. Aus Trainersicht ist es im Spiel nicht erfreulich zu realisieren, dass das eigene Team absolut chancenlos ist. 0:7 als Endergebnis war auch in der Höhe verdient. Das Spiel gegen den FC St. Pauli war das einzige Spiel des Turniers, in dem der französische Star-Blindenfußballer Villeroux für sein Team eingesetzt wurde. Seine Knie sind nach einer langen Leistungssport-Karriere nicht mehr dauerhaft voll belastbar. Der Hintertor-Guide der Franzosen Yannick le Colvez (auch mit Traineraufgaben betreut) bedauerte,

Villeroux nicht schon eher im Turnierverlauf eingesetzt zu haben, da sein Knie keine Probleme bei Belastung machte. Ob die Franzosen mit einem schon eher eingesetzten Villeroux vielleicht sogar Chancen auf den Turniersieg gehabt hätten, bleibt Spekulatius. Neben Villeroux waren bei Bordeaux auch die Feldspieler Baron und Miguez, sowie Torwart Bartolomucchi und Guide Le Colvez Teil des französischen Nationalteams, das sich im letzten Jahr in Paris die paralympische Goldmedaille sicherte. Absolute Weltklasse am Borgweg. Alle Trainer, die in der Regel auch das Mittel Guiding übernehmen, waren nach dem Spiel gegen Japan heiser.

Im letzten Spiel des Turniers hätte den St. Pauli Blindenfußballerinnen ein 4:0 Sieg über Japan gereicht, um das 18. Masters zu gewinnen. Graue Theorie, am Ende hieß es 0:8. Svenja Bartels im Tor unseres Teams wuchs über sich hinaus, hielt etliche stramme Schüsse der Japaner und verhinderte, dass wir im Bereich Gegentore zweistellig einsortiert wurden.
Die Japaner agierten mit vorbildlich maximal tiefem Körperschwerpunkt, manchmal an der Grenze des Erlaubten, aber niemals unfair und konnten auch mit artistischer einbeiniger Stabilität in Schussbewegungen überzeugen.

Mit dem Team von Betis Once Sevilla waren die Blindenfußballer und Blindenfußballerinnen zusammen in dem Erasmus+ Projekt „VOY! League“ verbandelt. Dass Projekt zur Förderung von Blindenfußball Spielen unterhalb der Wettkampf-Leistungsebene konnte leider Aufgrund der Insolvenz des Trägers nicht weitergeführt werden. Umso schöner die Spanier doch noch treffen zu können.

Das Feedback ihres Kapitän Pancho war beeindruckend. Seit zwei Jahren hatten die Spanier kein einziges Spiel mehr verloren und nun haben sie alle vier Spiele des 18. Masters verloren. Trotzdem sind sie bereichert und mit positiven Eindrücken bestückt aus Hamburg abgereist. Vor allem die spielerische Qualität der japanischen Nationalmannschaft hat Ihnen, genauso wie allen anderen Teams imponiert.

Wie passend, dass der japanische Generalkonsul Herr Toda das rasante Spieltempo und die beeindruckende Qualität seiner Landsleute erstmals aus nächster Nähe erleben konnte und nach dem letzte Turnierspiel seine Anerkennung ausdrücken und den Siegerpokal überreichen konnte.

Der erste Vorsitzende des Behinderten und Rehabilitations Sportverbandes Hamburg (BRSH) Herr Fromm, fand seinerseits ebenfalls anerkennende Worte für die Qualität des hochklassigen Blindenfußball Turnier, das nur mit einer großen Menge an ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern vom FC St. Pauli Blindenfußball realisiert werden konnte, und dabei auch eine sehr gute Anzahl an Zuschauerinnen und Zuschauern begeisterte.

Bis zum 19. Masters ist noch etwas Zeit, aber wie immer gilt jederzeit: „Keep your mind wide open“.
Text: FCSP-Blindenfußball
Fotos: Stefan Groenveld