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FC St. Pauli-Museum zeigt verdrängte und vergessene Geschichte rechter Gewalt

Rechte Gewalt war nie verschwunden. Sie ist ein fester Bestandteil der deutschen Nachkriegsgeschichte. Die neue Sonderausstellung „Rechte Gewalt in Hamburg von 1945 bis heute“ im FC St. Pauli-Museum zeigt das auf beeindruckende Weise. Ihr könnt die Ausstellung mittwochs bis sonntags neben der Dauerausstellung „KIEZBEBEN“ zu den regulären Öffnungszeiten des Museums besuchen. Der Eintritt ist im regulären Ticketpreis inbegriffen.

Ibrahim Arslan, Opfer und Überlebender der rassistischen Brandanschläge von Mölln 1992, eröffnete die Ausstellung mit weiteren Gästen. „Ich war sieben Jahre alt, als Neonazis unser Haus angezündet haben“, berichtete er bei der Vernissage. „Drei Familienangehörige sind gestorben. Ich habe knapp überlebt, weil meine Oma ihr Leben für meines gegeben hat.“ Seitdem setzt Ibrahim Arslan sich dafür ein, Betroffene zu empowern und Opfern und Angehörigen Gehör zu verschaffen. „Betroffene, Angehörige, Opfer von rechter, rassistischer, antisemitischer Gewalt: Sie sind in der Öffentlichkeit, sie sprechen. Man kann sie einladen, man kann sie in Projekte einbeziehen. Wie wichtig das ist, werden Sie in dieser besonderen Ausstellung merken.“

Ibrahim Arslan, Opfer und Überlebender der rassistischen Brandanschläge von Mölln 1992, bei der Vernissage im FC St. Pauli-Museum.

Ibrahim Arslan, Opfer und Überlebender der rassistischen Brandanschläge von Mölln 1992, bei der Vernissage im FC St. Pauli-Museum.

Lennart Onken, Kurator der Ausstellung und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen, kann das nur unterstreichen: „Uns war schnell klar, dass wir mit dem Konzept der integrierten Geschichte arbeiten wollten, wie es der Holocaust-Überlebende und Historiker Saul Friedländer geprägt hat und wie es aus der modernen Gedenkstättenarbeit heute gar nicht mehr wegzudenken ist.“ Entsprechend nehmen die Stimmen der Betroffenen eine wichtige Rolle ein. Die Ausstellung beginnt mit den Geschichten von fünf Hamburger Todesopfern und endet mit einem Kurzfilm aus Interviews, den das Kuratoriumsteam mit Angehörigen von Opfern und Überlebenden von Anschlägen geführt hat.

Lennart Onken, Kurator der Ausstellung und Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen.

Lennart Onken, Kurator der Ausstellung und Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen.

Neben dem Vergessen der Opfer richtet sich die Ausstellung gegen ein Vergessen der Geschichte und zeigt, so Lennart Onken auf der Vernissage, „dass rechte Gewalt nie verschwunden war, sondern fester Bestandteil der deutschen Nachkriegsgeschichte ist. Die gern bemühte Formel des ‚bedauerlichen Einzelfalls‘ verdeckt den Blick auf Kontinuitäten und Entwicklungslinien und macht eine Analyse der Strukturen, in denen sich die Täter*innen bewegten, unmöglich. Damit entbindet sie zugleich auch die Gesellschaft, in der diese Gewalt entsteht, von ihrer Verantwortung. Mit unserer Ausstellung ‚Rechte Gewalt in Hamburg von 1945 bis heute‘ wollen wir einen Teil dazu beitragen, diese verdrängte und vergessene Geschichte der Gewalt wieder ins Bewusstsein zu rücken.“

Zur Ausstellung gehören auch gefilmte Interviews mit Angehörigen von Opfern und Überlebenden rechter Gewalt sowie ein Intro über rechte Gewalt am Millerntor.

Zur Ausstellung gehören auch gefilmte Interviews mit Angehörigen von Opfern und Überlebenden rechter Gewalt sowie ein Intro über rechte Gewalt am Millerntor.

In einer aktuellen Sonderfolge des Podcasts „FCSP-Geschichte(n)“ sind Ibrahim Arslan und Lennart Onken zu Gast und erzählen mehr über die Hintergründe der Ausstellung. Ihr findet die Folge auf allen gängigen Podcasting-Plattformen, auf Podigee und auf YouTube.

FCSP-Präsident Oke Göttlich erinnerte daran, dass die „klare Kante gegen Rechts“ immer neu erkämpft werden muss.

FCSP-Präsident Oke Göttlich erinnerte daran, dass die „klare Kante gegen Rechts“ immer neu erkämpft werden muss.

Für die Ausstellung am Millerntor hat das Team des FC St. Pauli-Museums das Themenspektrum um eine ortsbezogene Einführung erweitert. Oke Göttlich, Präsident des FC St. Pauli, bezog sich darauf bei seiner Rede auf der Vernissage: „Es sollte uns immer Warnung sein, dass auch an Orten wie diesen rassistisches Gedankengut vorgekommen ist und auch immer mal wieder vorkommt – und dass wir aufmerksam bleiben müssen.“

Die Erinnerung an Opfer rechter Gewalt ist ein wichtiger Teil der Ausstellung.

Die Erinnerung an Opfer rechter Gewalt ist ein wichtiger Teil der Ausstellung.

Die „klare Kante gegen Rechts“ und gegen alle Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit beim FC St. Pauli sei keine Selbstverständlichkeit, so Oke Göttlich weiter: „Sie musste hart erkämpft werden. Und deshalb sind wir alle gefordert, diesen Einsatz immer wieder aufs Neue zu verteidigen und lebendig zu halten. Wir müssen über solche Bedrohungen aufklären, aber gleichzeitig auch Schutzräume für Betroffene bieten. Dafür möchte der FC St. Pauli stehen.“

Texttafel über alltäglichen Rassismus in den 80er-Jahren.

Texttafel über alltäglichen Rassismus in den 80er-Jahren.

Dass das FC St. Pauli-Museum zu diesem Ziel beitragen möchte, unterstrichen Rainer Klinitzki und Christoph Nagel aus dem Vorstand des Betreibervereins 1910 – Museum für den FC St. Pauli e.V.: „Als wir den ‚Museumsverein‘ vor 12 Jahren gründeten, war es eins unserer wichtigsten Anliegen, einen Raum direkt am Millerntor für Ausstellungen wie diese zu schaffen“, so Christoph Nagel.

Die Sonderausstellung ist noch bis Februar 2025 im FC St. Pauli-Museum zu sehen.

Die Sonderausstellung ist noch bis Februar 2025 im FC St. Pauli-Museum zu sehen.

Die neue Ausstellung ist die erste auf der neu geschaffenen Sonderausstellungsfläche im Herzen des FC St. Pauli-Museums. Direkt angrenzend: Der ebenfalls komplett neu gestaltete Bereich „Zwischen Aufbruch und Widerstand“. Er erzählt davon, wie Politik und Sport in der Fanszene des FC St. Pauli zusammenwuchsen. Das FC St. Pauli-Museum macht diesen Prozess erlebbar.

 

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Text: 1910 e.V., Fotos: FC St. Pauli / Philipp Kremer, 1910 e.V. 

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